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Die Unsichtbaren – Interview im Argumente Magazin 2023

Interview für das Argumente Magazin 2023 mit Holger Büscherhoff, Geschäftsführer der Gebr. Ostendorf Kunststoffe GmbH, verfasst von Ralf Kunefke.

Es gibt Unternehmen, deren Produkte man jeden Tag vor Augen hat – sei es im Haushalt, auf der Straße oder bei hunderten anderen Gelegenheiten. Dazu zählt die Gebr. Ostendorf Kunststoffe GmbH nun beileibe nicht, im Gegenteil. Die Kunststoffrohrsysteme des Vechtaer Familienunternehmens verschwinden meist sofort nach ihrer Installation aus unserem Blickfeld und leisten dann ganz unbemerkt über Jahrzehnte zuverlässig ihren Dienst. Und zwar nicht im Haushalt, sondern im Haus und nicht auf, sondern unter der Straße.

HOLGER BÜSCHERHOFF IST GESCHÄFTSFÜHRER DER GEBR. OSTENDORF KUNSTSTOFFE GMBH , die zu den führenden Anbietern von Abwasserrohrsystemen gehört: „Als zuverlässiger Partner des Sanitär- und Baustoffhandels decken wir das komplette Lieferspektrum ab. Aus gutem Grund werden unsere Produkte heute international nachgefragt. Denn erstklassige Qualität zu attraktiven Preisen liefert längst nicht jeder.“

„Läuft bei uns“, heißt es vollmundig auf einem Spannbanner der Gebr. Ostendorf-Kunststoffe GmbH, das direkt gegenüber der Vechtaer Firmenzentrale im Industriegebiet Nord hängt. Und tatsächlich scheint der markige Satz keinen Deut überzogen, wenn man die Position der Kunststoffprofis auf dem nationalen Markt betrachtet: Ostendorf zählt sowohl von der Präsenz als auch von der Innovationskraft her in Deutschland zu den unangefochtenen Marktführern.

50 Jahre jung

2023 feiert das Unternehmen sein 50. Jubiläum und kann dabei auf eine lebendige Firmengeschichte zurückblicken. Die begann 1973, quasi mitten zwischen Ulrike Meyfarth und Gerd Müller, als Heinrich und Norbert Ostendorf mit der Kunststoffproduktion starteten. Es folgten rasch die Gründung eines zusätzlichen Werks in Emstek sowie mehrerer weiterer Werke oder Tochterunternehmen in Polen, Tschechien und Russland. Zu den jüngsten Entwicklungen zählen dabei die Eingliederung des ehemaligen Tochterunternehmens am Standort Rain am Lech sowie die Übernahme der Simplex AG im schweizerischen Beringen vor zwei Jahren.

„Was genau läuft denn nun in Deutschland nicht ohne Ostendorf“, frage ich Geschäftsführer Holger Büscherhoff, der seit knapp 20 Jahren die Geschicke des Unternehmens leitet. Der unaufgeregt wirkende Fünfzigjährige kann sich ein Lächeln bei dieser Frage nicht verkneifen, kommt dann aber in seiner typischen Art prägnant auf den Punkt: „Wasser. Und seit neuestem auch Strom.“ Über diesen scheinbaren Widerspruch möchte ich natürlich mehr erfahren und so lädt mich Büscherhoff spontan zu einer kleinen Info-Tour durch das Vechtaer Produktionswerk an der Rudolf-Diesel-Straße ein.

Was man hier sieht, ist zunächst einmal, dass man recht wenig sieht. In den penibel gepflegt wirkenden Hallen dominiert auf den ersten Blick eindeutig der Raum. Erst der zweite Blick fällt auf die bulligen Extrusionsmaschinen, die das Herz der Produktion bilden. Mit ihnen werden aus Kunststoffen – PVC, PP, PE und anderen – Bauteile hergestellt, ohne die unser modernes Leben praktisch gar nicht funktionieren würde: Kunststoffrohre und -formteile für die häusliche und kommunale Entwässerung. „Das graue HT-Rohr in den eigenen vier Wänden und das klassische, orange Kanalgrundrohr unter der Erde kennt ja praktisch jeder“, erzählt Büscherhoff. Und dem kann ich nur beipflichten. Ich erinnere mich zurück, als wir uns als Kinder abends oder an den Wochenenden heimlich auf Baustellen jeglicher Couleur rumgedrückt hatten, weil das Ambiente dort irgendwie spannend war.

ALLE ROHRE UND FORMTEILE VON OSTENDORF werden an den drei Standorten in Vechta (Bild), Emstek und Rain am Lech produziert und abgefertigt. Daher dürfen die Produkte mit Stolz und zu Recht das Qualitätssiegel „Made in Germany“ tragen.

25 Jahre Garantie – ohne Wenn und Aber

„Man denkt über unsere Produkte halt nicht nach, sie sind einfach da und sollen fehlerfrei funktionieren. Denn wenn sie in Erscheinung träten, wäre das ein Riesenproblem, sprich Schaden. Aber zum Glück kommt das praktisch nie vor“, versichert mir der Geschäftsführer stolz. „Wir haben so viel Erfahrung, Know-how und technische Perfektion erreicht, dass wir auf unsere Systeme eine 25-jährige Garantie ohne Wenn und Aber geben.“

Wir gehen mittlerweile durch Werk 2, als mir auffällt, dass die extrudierten Rohre nicht dunkelgrau oder orange, sondern weiß und grün sind. „Modefarben?“, frage ich den Chef. Der muss schon wieder lächeln und erklärt mir dann, was genau es damit aufsich hat: „Das weiße Rohr ist unser Skolan Safe, quasi die Weiterentwicklung unserer eigenen Weiterentwicklung für die moderne Hausentwässerung. Was möchten Sie in einer Immobilie auf keinen Fall hören? Zum Beispiel die Toilettenspülung oder das Duschwasser Ihrer Mitbewohner oder Nachbarn. Die Zeiten von lautstark durch die Rohre rauschendem Wasser sind vorbei, heute zählen Ruhe und damit Lebensqualität. Deshalb haben wir schon seit Jahren nur noch zwei Highend-Systeme für die Hausentwässerung im Programm. Zum einen das schalldämmende HT Safe, nach wie vor übrigens grau, und darüber hinaus das hochschalldämmende weiße Skolan Safe, das Sie hier sehen. Insbesondere Architekten und Planer setzen schon lange nur noch diese Systeme ein, um die Vorgaben der Auftraggeber zu erfüllen und die Geräusch-Emissionen des Abwassers zu minimieren. Zudem man den Mehrpreis gegenüber handelsüblichen, lauteren HT-Rohren beim Bau einer Immobilie praktisch vernachlässigen kann.“

Draußen auf dem Lagerplatz fällt auf, dass das Ostendorf-Portfolio offenbar deutlich größer ist, als ich angenommen hatte. Ein firmeneigener Gliederzug wird gerade mit mächtigen grünen Rohren beladen. „Das sind KG2000-Rohre, ebenfalls eine Innovation exklusiv von Ostendorf“, erklärt Holger Büscherhoff. „Diese Serie wird für Abwasserleitungen außerhalb von Gebäuden verwendet. Die Vollwandrohre bestehen aus veredeltem Polypropylen. Vereinfacht ausgedrückt erhält das Material dadurch eine höhere Steifigkeit und erfüllt beziehungsweise übertrifft alle relevanten Normen im In- und Ausland. Der Clou am KG2000 ist außerdem, dass sich die Rohrverbindungen fest verschweißen lassen. Wir haben damit als erstes und einziges Kunststoffrohrsystem die bauaufsichtliche Systemzulassung für den Einsatz als JGS-Leitung erhalten. Sprich, sogar unterirdische Leitungssysteme für Jauche, Gülle und Sickersilagesäfte dürfen mit unserem KG2000 gebaut werden. Das ist natürlich insbesondere für die Landwirtschaft ein echter Gewinn, denn Rohrsysteme aus Kunststoff sind ja generell schneller in der Montage und besonders lange haltbar.“

DIE GEBR. OSTENDORF KUNSTSTOFFE GMBH BESCHÄFTIGT IN DEUTSCHLAND 650 MITARBEITENDE, DAVON ALLEIN IM OM 575. Das Unternehmen hat drei Standorte in Deutschland sowie vier Standorte im Ausland. Wenn man alleine die Werke in Deutschland zusammenrechnet, extru diert das Unternehmen 78.500 Rohr-Kilometer und produziert 97 Millionen Formteile pro Jahr.

650 Leute, 78.500 Rohrkilometer

Wir sind mittlerweile wieder im Büro des Geschäftsführers angekommen. „Herr Büscherhoff, können Sie mal ein paar Zahlen raushauen? Über das Unternehmen, den Produktions-Output und überhaupt?“, frage ich neugierig. „Die Gebr. Ostendorf Kunststoffe GmbH beschäftigt aktuell in Deutschland 650 Mitarbeitende, davon allein im Oldenburger Münsterland 575. Wir haben insgesamt drei Standorte mit fünf Werken in
Deutschland und weitere vier Standorte im Ausland. Wenn man alleine die Werke in Deutschland zusammenrechnet, extrudieren wir im Jahr ca. 78.518 Rohr-Kilometer, das entspricht in etwa dem zweifachen Erdumfang. Dazu kommen noch ca. 97,2 Millionen Formteile pro Jahr, also Bögen, Abzweige, Reduzierer usw. Außerdem, und die haben Sie jetzt hier im Vechtaer Werk nicht sehen können, stellen wir neben den Rohrsystemen auch Kunststoffschächte her, die sich in den letzten Jahren immer mehr am Markt etablieren konnten.“

Auf dem Sideboard liegt ein rotes Teil, das ich in dieser Form noch nie gesehen habe. „Gut, dass Sie mich darauf ansprechen“, sagt der Geschäftsführer „Das ist die jüngste Neuentwicklung aus unserem Hause namens ‚KG2000 e-line protect’. Ich hatte ja eingangs erwähnt, dass mittlerweile auch Strom durch unsere Rohrsysteme fließt. Natürlich nicht direkt. Vielmehr dienen unsere Produkte als sogenannte Kabelschutzrohre und dieses spezielle Verbindungsstück kann man dabei durchaus als eine kleine Revolution bezeichnen!“

Früher wurden Kraftwerke dort erstellt, wo der Strombedarf war. Das hat sich im Zuge der regenerativen Energien aber längst geändert, heute gibt es die lastferne Erzeugung. Der Strom wird zum Beispiel dort erzeugt, wo der Wind weht oder wo die Sonne scheint und muss dann teils über mehrere hundert Kilometer durch unterirdische Verbindungsleitungen zum Verbraucher geschickt werden. Und eben diese sensiblen Verbindungsleitungen gilt es zu schützen.

DIE OSTENDORF-HEADQUARTERS an der Rudolf-Diesel-Straße in Vechta, wo Heinrich und Norbert Ostendorf vor genau 50 Jahren mit der Kunststoffproduktion begannen.

KG2000 e-line gewinnt den Test

Wie überragend das neue Schutzrohr dabei abschneidet, zeigte kürzlich ein direkter Praxisvergleich im Auftrag der Firma Bayernwerk. Ziel war es, auf über drei verarbeiteten Rohrkilometern die Stabilität, das Verhalten und die Verlegeleistung mit dem neuen KG2000 e-line in verschweißter Version zu testen. Das Fazit fiel eindeutig aus: Die Monteure bestätigten einstimmig die einfachere, schnellere und sichere Verlegung sowie Verschweißung des KG2000 e-line-Rohrsystems. Ich muss zugeben, ein spannendes Thema und gerade heute relevanter denn je. Aber regenerative Energien und Kunststoff, bildet diese Kombination nicht einen Widerspruch in sich? Diese Frage gebe ich natürlich an Holger Büscherhoff weiter. „Ganz eindeutig, nein“, entgegnet er sofort. „So wünschenswert das zweifellos wäre, man kann Hoch- und Höchstspannungskabel nun mal nicht in Bananenbaumblätter einwickeln. Metalle scheiden sowieso aus, bleiben also nur Schutzrohre aus Kunststoff. Und ich kann Ihnen versichern, dass das KG2000 e-line auch aus ökologischer Sicht eine Vorreiterrolle einnimmt. Unsere optimierte Materialrezeptur ermöglicht geringere Wandstärken und damit weniger Materialeinsatz. Außerdem ist es, wie praktisch alle unsere Produkte, zu einhundert Prozent recyclebar.“

Unsichtbare, aber richtungsweisende Aussichten also – und zwar sowohl aus der technischen als auch aus der ökologischen Perspektive betrachtet.

ERST EIN 3D-MODELL MACHT’S MÖGLICH , die mithin unsichtbaren Rohre und Formteile aus dem Hause Ostendorf versammelt darzustellen. Noch anschaulicher geht das im Internet unter ostendorf-kunststoffe.com/produkte/produktwelt.

Quelle: Argumente 2023 |Kunststofftechnik (oldenburger-muensterland.de)